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Der aktuelle Kommentar.

 

veröffentlicht am 20. August 2010 vom ehemaligen Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und heutigen Professor für Internationale Politik am King's College in London, Prof.Dr. Friedbert Pflüger, in der Tageszeitung DIE WELT.

 

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Der neue

Rohstoff-Imperialismus

 

Holmium, Thulium, Lithium: Die Zutaten für die Technologien der Zukunft liegen fast alle in der Erde Chinas. Das macht den Westen abhängig. Und Europa ist auf die Verteilungskämpfe nicht vorbereitet.

 

   Friedbert Pflüger

 

Neben den seit einiger Zeit stark beachteten Fragen der Energiesicherheit wird die ausreichende Versorgung mit Rohstoffen zu einer zentralen Herausforderung. Dafür gibt es drei Gründe: die wachsenden Ansprüche von acht Milliarden Menschen, die 2030 auf der Erde leben werden, der steigende Bedarf der dynamischen Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien und schließlich die zunehmende Abhängigkeit hochtechnologischer Industrieprodukte von strategischen Rohstoffen. Der globale Wettbewerb um Bodenschätze wird härter. Die internationale Politik der kommenden Jahrzehnte wird nicht nur vom viel beschworenen "clash of civilizations", sondern vielleicht noch stärker von einer neuen Form von Ressourcen-Imperialismus geprägt werden. Dabei geht es zunehmend um einen Kampf um Rohstoffe. Neue Konflikte zeichnen sich ab - bis hin zur Gefahr neuer Kriege und Bürgerkriege. Die größte geopolitische Veränderung der letzten zehn Jahre liegt in der aggressiven Rohstoffsicherungspolitik Chinas, das überall auf der Welt selbstbewusst ein Gegengewicht zu den USA aufbaut. Wenn Deutschland und Europa nicht zu den Verlierern dieser Entwicklungen gehören wollen, müssen Politik und Wirtschaft schnell handeln.

 

Ein Grund für Chinas wachsende Macht ist, dass rund 95 Prozent der heutigen Produktion von sogenannten Seltenen Erden aus dem Reich der Mitte stammen. Ob Elektroautos, Laser- und Nanotechnik, Mobiltelefone, Computer, hochwertige Industrieglase oder Fotovoltaik - überall werden Neodym oder Lanthan, Europium oder Germanium, Holmium oder Thulium und so weiter benötigt. Vor dem Hintergrund des wachsenden Eigenbedarfs und der überall steigenden Nachfrage nach Technologieprodukten sind eine Arbeitsgruppe der EU-Kommission und das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in zwei aktuellen Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund dieses Quasi-Monopols die künftige Versorgung der europäischen Industrie mit diesen Metallen gefährdet ist. In diesem Jahr werden in der Welt circa 115 000 Tonnen Seltener Erden verbraucht, bereits für 2012 wird mit 185 000 gerechnet. Um diesen globalen Mehrbedarf wissend, haben die Chinesen in den vergangenen Jahren regelmäßig ihre Exportquoten gesenkt und die Ausfuhren durch Steuern verteuert. Was, wenn Peking eines Tages den Export bestimmter Seltener Erden mit Hinweis auf den Eigenbedarf ganz einstellt? Eine Katastrophe für die westliche Industrie, ein enormer Wettbewerbsvorteil für chinesische Technikprodukte.

 

Vor diesem Hintergrund muss die Abhängigkeit von China schnell gemindert werden. In den USA nimmt MolyCorp deshalb eine Mine wieder in Betrieb, die sie 1994 vor dem Hintergrund damals preisgünstiger Seltener Erden aus China geschlossen hatte. Zwei Lager warten in Australien darauf, von den Firmen Lynas beziehungsweise Arafura Ressources ausgebeutet zu werden. Allerdings sind auch hier die Chinesen bereits mit von der Partie: 25 Prozent von Arafura gehören einem chinesischen Unternehmen, bei Lynas konnte ein chinesischer Übernahmeversuch bisher verhindert werden.

 

Seit 2007 rückt ein anderer Rohstoff in den Blickpunkt: Lithium, ein Leichtmetall, das die Industrie für Mobiltelefone, Laptops und Eisenbahnen sowie in der Luftfahrt benötigt und dem mit Blick auf die Batterien für Elektroautos eine Zukunft als "weißes Gold" vorausgesagt wird. Die größten Vorkommen befinden sich im riesigen Salzsee Salar de Uyani in Bolivien. Die Chinesen sind, wie überall in Lateinamerika und Afrika, bereits vor Ort. Die China Development Bank hat Bolivien einen Kredit über 15 Milliarden Dollar gewährt für die Ausbeutung eines der weltweit größten Eisenerzprojekte El Cerro Mutum. Mittelfristig aber geht es den Chinesen vor allem um den Zugriff auf das bolivianische Lithium. Ulrich Grillo, Vorsitzender des Rohstoffausschusses des BDI, warnt, dass China mit seiner Politik bald den Schlüssel für die Batterien der Zukunft in seiner Hand halten könnte. In jedem Fall gibt es zu wenig Lithium auf der Welt, was sich auch darin zeigt, dass trotz aller Gefahren jetzt ernsthaft über die Ausbeutung von Lithium-Reserven in Afghanistan nachgedacht wird.

 

Alle Bedarfsprognosen zeigen: Auch bei anderen Rohstoffen wie Kupfer, Titan oder Kobalt wird für die Zukunft eine das Angebot weit übertreffende Nachfrage vorausgesagt. Nicht selten werden schon heute wegen des Reichtums, den diese Rohstoffe dem Besitzer bringen, heftige Kämpfe darüber ausgetragen. Der Bürgerkrieg im Kongo, der fünf Millionen Menschen das Leben kostete, wäre ohne die Bodenschätze in der Ostprovinz Kivu, vor allem ohne das dortige Coltan, kaum ausgebrochen. Auf der Pazifikinsel Bougainville, einer ehemals deutschen Kolonie, tobte lange Zeit eine sogenannte Kokosnuss-Revolution um eine riesige Kupfermine, die 15 000 Menschen das Leben kostete. Der britisch-australische Rohstoffgigant Rio Tinto bemüht sich um die Wiederaufnahme der dortigen Produktion. Im Süden der äußerst instabilen philippinischen Insel Mindanao will der Schweizer Konzern Xstrata gigantische Kupferminen ausbeuten - gegen den entschiedenen Widerstand von Kommunisten, Islamisten und katholischer Kirche. Solche Konflikte wird es in Zukunft vermehrt geben - übrigens auch in der Arktis und auf dem Boden der Weltmeere, vielleicht eines nicht allzu fernen Tages auf dem Mond.

 

Was folgt daraus? Erstens müssen Deutschland und Europa ihren Bedarf an strategischen Bodenschätzen definieren und vor diesem Hintergrund eine gemeinsame Strategie entwickeln, die sie in der Welt entschlossen durchsetzen. Es muss Schluss sein mit der dauernden Selbstbeschäftigung, die EU muss - mit Deutschland als einer treibenden Kraft und wo immer möglich im Schulterschluss mit den USA - ein Global Player werden, der den Willen zeigt, sich zu behaupten und seine Rohstoffinteressen durchzusetzen.

Zweitens müssen Politik und Wirtschaft mit Blick auf die Rohstoffsicherheit eng zusammenarbeiten. Neben der Stützung eines innovativen Mittelstandes brauchen die europäischen Gesellschaften auch eine bessere Akzeptanz von europäisch verorteten multinationalen Konzernen, die die enormen Investitionen bei der Ausbeutung, der Veredlung und der Infrastruktur der Rohstoffgewinnung leisten können und die gegenüber den chinesischen, indischen, brasilianischen und amerikanischen Giganten konkurrenzfähig sind. Es ist im Interesse der deutschen und europäischen Politik, gemeinsame industriepolitische Konzepte mit Unternehmen wie Rio Tinto, BHP Billiton, Xstrata, BASF, Siemens und anderen zu entwickeln, um sie im weltweiten Rohstoffwettbewerb zum Beispiel mit chinesischen Staatskonzernen zu unterstützen. Außenpolitik muss in diesem Bereich noch stärker Außenwirtschaftspolitik werden.

 

Drittens muss der Versuch unternommen werden, die heutige Abhängigkeit von strategischen Bodenschätzen durch die Entwicklung künstlicher Ersatzstoffe zu mindern und die Effizienz der Rohstoffverwendung durch technische und chemische Innovationen zu steigern. Auch dabei ist eine enge Kooperation zwischen Unternehmen und Forschungspolitik erforderlich. Es muss geprüft werden, inwieweit sich heimische Rohstoffminen, die vor Jahren wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit geschlossen wurden, wieder lohnen. Und schließlich gibt es nach wie vor enorme Potenziale für die europäische Wirtschaft durch weitere Verbesserungen bei der Industriemüllverarbeitung und Metallschrottverwertung in Deutschland.

 

Der Wettbewerb um Rohstoffe wird hart, weil davon nicht nur die globalen Machtverhältnisse, sondern das Überleben von Gesellschaftsentwürfen und Regierungssystemen abhängt. Aber vor dem Hintergrund der Kolonialgeschichte sollten Deutsche und Europäer alles dafür tun, dass diese Auseinandersetzung so weit wie möglich friedlich und nach den Regeln des internationalen Rechtes ausgetragen wird. Die Menschen in den Rohstoffländern dürfen nicht wie früher ausgebeutet werden, sondern sollten vom Abbau und Handel mit Rohstoffen profitieren. Kurzfristig mag es ein Wettbewerbsnachteil gegenüber den Chinesen sein, zu Staaten wie dem Sudan oder Simbabwe Distanz zu halten oder die Debatte über Blutdiamanten und Konfliktrohstoffe zu führen - langfristig wird sich eine Politik auf der Grundlage ethischer Mindeststandards nicht nur als moralisch überlegen, sondern auch als wirtschaftlich erfolgreicher erweisen. Ressourcensicherung wird nur nachhaltig sein, wenn sie in den Entwicklungsländern nicht in erster Linie Rohstofflager, sondern Partner sieht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

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